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Über die Haut hinaus: Neurofunktionelle Narbenbehandlung

Aktualisiert: 27. Feb.



Neuroathletik München Narbenbehandlung


Als Physiotherapeut und Neuroathletik-Trainer steht Funktionsverbesserung im Vordergrund. In meiner Praxis begegne ich häufig Patienten mit Narben, die nicht nur ästhetische Bedenken haben, sondern auch funktionelle Einschränkungen erleben. Manchmal auch nach Jahren. Die traditionelle funktionelle Narbenbehandlung konzentriert sich auf die strukturellen und biomechanischen Aspekte der Narbenheilung. Doch eine wesentliche Komponente kam bislang zu kurz: die sensorische Anbindung der Narbe an das Nervensystem. Die neurofunktionelle Narbenbehandlung zielt darauf ab, diese Lücke zu schließen.


Funktionelle Narbenbehandlung

Traditionelle Ansätze zur Narbenbehandlung sind unverzichtbar für die Wiederherstellung der strukturellen Integrität und der biomechanischen Funktion. Sie verbessern die Beweglichkeit der faszialen Strukturen, reduzieren Schmerzen und fördern die ästhetische Erscheinung der Narbe. Doch Narben sind häufig mehr als nur ein kosmetisches oder mechanisches Problem.


Sensorik: Essentiell für Funktion

Unsere Haut ist ein hochsensibles Organ, das mit einer Vielzahl von Rezeptoren ausgestattet ist, die Informationen über mechanische Veränderungen (z.B. Druck, Dehnung, Vibration), Temperatur und potenziell schädliche Reize an unser Gehirn weiterleiten. Diese Informationen sind essentiell für die Steuerung von Bewegung und die Wahrnehmung unseres Körpers im Raum. Bei Verletzungen betrifft der Schaden nicht ausschließlich die sichtbaren, greifbaren Strukturen wie Haut, Muskeln oder Bindegewebe. 


Ebenso wesentlich ist der Einfluss auf die nicht offensichtlichen Elemente des Nervensystems: Rezeptoren und feine Nervenäste im betroffenen Gebiet können ebenfalls verletzt sein oder ihre Funktion einbüßen. Diese mikroskopisch kleinen Strukturen sind die Schlüsselkomponenten unserer sensorischen Hardware, die ständig Informationen über Berührung, Druck, Schmerz und Temperatur an das Gehirn senden. Wird dieses fein abgestimmte Kommunikationsnetzwerk durch eine Verletzung gestört, erhält das Gehirn möglicherweise gar keine, verzerrte oder ungenaue Informationen. Diese Informationslücke oder -verzerrung kann zu einer Reihe von Problemen führen, von einer beeinträchtigten Bewegungskontrolle bis hin zu chronischen Schmerzen, da das Gehirn auf der Grundlage unvollständiger oder fehlerhafter Daten reagiert.


Die neurofunktionelle Narbenbehandlung

Die neurofunktionelle Narbenbehandlung geht über die traditionelle Therapie hinaus, indem sie nicht nur die strukturelle, sondern auch die neurologische Rehabilitation der Narbe einbezieht. Ziel ist es, die sensorische Rückmeldung zu verbessern und die Narbe neu in das sensorische Kartenbild des Gehirns zu integrieren. Dies erreichen wir durch:


  • Sensorisches Re-Training: Spezifische Übungen und Techniken werden angewendet, um eingeschränkte sensorische Rückmeldung zu reaktivieren.

  • Neurodynamische Techniken: Durch gezielte Bewegungsübungen verbessern wir die Mobilität der Nerven, die durch die Narbenbildung beeinträchtigt sein kann.

  • Elektrostimulation: In einigen Fällen kann die Anwendung von Elektrostimulation hilfreich sein, um die sensorische Wahrnehmung zu verbessern und das Nervensystem zu stimulieren.

  • Neurozentriertes Training: Wir integrieren Übungen, die darauf abzielen, die gesamte sensorische Verarbeitung und motorische Antwort zu verbessern, um eine umfassende funktionelle Wiederherstellung zu erreichen.


Maximierung des Möglichen: Anpassungsstrategien bei Nervenverletzungen


Nicht immer lässt sich das geschädigte Gewebe oder die Funktion von Nerven vollständig wiederherstellen, besonders wenn die Nervenschädigungen ein größeres Ausmaß angenommen haben. In solchen Fällen ist das Ziel nicht unbedingt das Wiederherstellen der vollständigen Funktion, sondern die Optimierung der verfügbaren sensorischen Informationen, die das Nervensystem aus anderen, intakten Sensoren erhält. Glücklicherweise zeigt sich unser Körper und insbesondere unser Nervensystem als außerordentlich anpassungsfähig an neue Umstände.


Diese Anpassungsfähigkeit, oft beschrieben durch das Prinzip "Use it or lose it", unterstreicht die Bedeutung regelmäßiger und gezielter Stimulation. Wenn bestimmte sensorische Pfade beschädigt sind, kann das Nervensystem lernen, stärker auf Informationen aus anderen Quellen zu vertrauen, um ein möglichst vollständiges Bild der Umwelt und des eigenen Körpers zu rekonstruieren. Diese Umstrukturierung oder Neukalibrierung des Nervensystems erfordert gezielte Übungen und Interventionen, die darauf abzielen, die verbleibenden sensorischen Kapazitäten zu maximieren und neue Wege der Informationsverarbeitung zu etablieren.


In der neurofunktionellen Narbenbehandlung nutzen wir die Plastizität des Nervensystems, indem wir ein vielfältiges Spektrum an sensorischen Reizen einsetzen, um die sensorische Wahrnehmung zu schärfen und zu erweitern. Durch diese gezielte Stimulation fördern wir die Anpassungsfähigkeit des Nervensystems und unterstützen es dabei, ein optimiertes, wenn auch verändertes, sensorisches Bild zu entwickeln, das die Grundlage für verbesserte funktionelle Bewegungen und eine erhöhte Lebensqualität bildet.


Letztendlich geht es in der neurofunktionellen Narbenbehandlung darum, das Beste aus der Situation zu machen und die natürliche Fähigkeit des Körpers zur Anpassung und Heilung zu nutzen. Indem wir das "Use it or lose it"-Prinzip anwenden, ermutigen wir das Nervensystem, sich selbst neu zu organisieren und zu stärken, was zu einer Verbesserung der Funktion und des Wohlbefindens führen kann, selbst wenn eine vollständige Wiederherstellung nicht möglich ist.



Mach's nicht irgendwie. Mach's smart!


Daniel Sturm


Train smart. Reach goals.

Physiotherapeut / Heilpraktiker / Neuroathletik-Trainer



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