In der Welt der orthopädischen Medizin hat die Suche nach strukturellen Schäden eine sehr hohe Bedeutung. Doch welche Rückschlüsse können aus MRTs und Röntgenbilder gezogen werden? Sind sie wirklich der Schlüssel zu einer umfassenden Diagnose?
Als langjähriger Physiotherapeut möchte ich die dringende Notwendigkeit betonen, die funktionelle und individuelle Diagnostik in den Vordergrund zu rücken und den hohen Stellenwert der Bildgebung und strukturellen Beurteilung in der Orthopädie kritisch zu hinterfragen.
Der begrenzte Blick der Bildgebung
MRTs und Röntgenbilder bieten zweifellos wertvolle Einblicke in die anatomischen Strukturen des Körpers. Sie sind nützlich, um Verletzungen zu bestätigen oder spezifische
strukturelle Abweichungen zu identifizieren. Doch sie erzählen uns nur einen Teil der Geschichte als Momentaufnahme. Sie enthüllen nicht die individuellen Faktoren, die funktionell dazu geführt haben, dass es strukturelle Veränderungen gibt. Trotzdem steht die Bildgebung aktuell im Mittelpunkt der Diagnostik.
Ursache oder Folge? Ein Perspektivenwechsel
Wenn beispielsweise auf einem Röntgenbild ein gebrochener Arm festgestellt wird, stellt sich die Frage: "Wie ist das passiert?" Möglicherweise war ein Sturz die Ursache für die Verletzung. Glücklicherweise kann der Körper in wenigen Wochen neues Knochengewebe bilden und den Arm stabilisieren, solange die Belastung im angemessenen Rahmen bleibt.
Aber was ist, wenn Schmerzen und Funktionseinschränkungen vorliegen, aber kein offensichtlicher Auslöser? Die Suche nach strukturellen Abweichungen beginnt, während die eigentlichen Gründe unbeachtet bleiben. Erschwerend kommt hinzu, dass Schmerz nicht unbedingt strukturelle Veränderungen erfordert, um wahrgenommen zu werden. Ein klassisches Beispiel ist der sogenannte "Unspezifischer Rückenschmerz". Das liegt daran, dass Schmerz eine Schutzfunktion hat und es im besten Fall nicht erst weh tun sollte, wenn es zu spät ist und die Strukturen bereits geschädigt sind.
Individualität als Schlüssel
Der Vergleich von Symptomen und Diagnosen ist nur bedingt hilfreich, denn wir als Menschen haben alle unterschiedliche Ausgangssituationen und Erfahrungen im Laufe unseres Lebens gesammelt. Die Gründe für z.B. einen Bandscheibenvorfall sind sehr individuell. Was für einen Patienten funktioniert, mag für einen anderen nicht helfen.
Die Antwort auf die Frage nach der Ursache lautet dann:
"Alles, was bisher war, hat zu dem geführt, wie es jetzt ist."
Jede Verletzung, Narbe, Verminderung der Sensorik oder Wahrnehmung, jeder Seitenunterschied, Lebensgewohnheiten müssen in die Therapie einbezogen werden. Eine Einheitslösung für alle passt selten.
Wenn es keinen direkten Auslöser gibt, lautet die Devise: Testen, testen, testen...
Funktionelle Testung
Die Funktion steht im Mittelpunkt des menschlichen Körpers. Es ist die Art und Weise, wie wir uns bewegen, wie unsere Muskeln und Gelenke zusammenarbeiten und wie wir die täglichen Herausforderungen bewältigen. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, eine Diagnose auf funktioneller Ebene zu stellen. Das bedeutet, den Körper in Aktion zu beobachten, Bewegungsmuster zu analysieren und die Muskelfunktion zu bewerten.
Ein Großteil unserer Bewegungssteuerung läuft dabei, wie eine Art Spurhalteassistent, im Hintergrund ab. Die Testung dieser Systeme ist entscheidend, um die Bereiche zu identifizieren, die aktuell nicht so gut arbeiten, wie sie könnten. Sobald die Spannungsregulation besser arbeitet, nimmt der Stress auf den Strukturen ab. So hat der Körper selbst die Möglichkeit, sich zu regenerieren.
Das erfordert gezieltes Training, aber vor allem den Willen, etwas zu ändern. Hier trifft eins meiner Lieblingszitate sehr gut zu: "Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe."
Der Weg zur ganzheitlichen Diagnose
Indem wir die Funktion und Individualität in den Mittelpunkt unserer Diagnose stellen, schaffen wir die Grundlage für eine ganzheitliche Therapie. Wir können die Wurzeln der Probleme angehen, anstatt nur Symptome zu behandeln. Dies führt zu nachhaltigeren Ergebnissen und einer verbesserten Lebensqualität für unsere Patienten.
In der Orthopädie ist es an der Zeit, die Perspektive zu erweitern. Strukturelle Diagnosen sind wichtig, aber sie sind nur ein Teil des Puzzles. Funktionelle und individuelle Diagnostik sollten den Weg weisen, um eine umfassende, effektive und nachhaltige Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.
Mach's nicht irgendwie. Mach's smart!
Daniel Sturm
Train smart. Reach goals.
Physiotherapeut / Heilpraktiker / Neuroathletik-Trainer
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